Christian Schmitt

Christian Schmitt

 

Sprachliche Annäherung durch politische Einheit
Zu Entwicklungstendenzen der heutigen westeuropäischen Sprachen (Abstract)

 

Der Autor legt dar, wie die politische Einheit Westeuropas über die Sprachgrenzen hinweg zu einer immer stärkeren Konvergenz im sprachlichen Bereich führt. Im deutschen Neulatein gebildetes gerontologia hat inzwischen ebenso wie Goethes Kreation morphologia (Morphologie) die westeuropäischen Wörterbücher erreicht und wie im Falle von lat. conceptum (→ spanisch conceto, frz. [kõsε]) ist vielfach auf der lautlichen Ebene eine Relatinisierung eingetreten (→ span. concepto, frz. [kõsεpt]).

 

Die Analyse der französischen wie der spanischen Tageszeitungen zeigt, daß gelehrte Suffixe lateinischer und, stärker noch, gräkolateinischer Provenienz zu den produktivsten Formantien gehören (Le Figaro, El País) und ohne Kenntnis ihrer Funktionen und Bedeutungen kaum noch Medientexte verstanden werden können: Die Wortbildungslehre der modernen westeuropäischen Sprachen wird zunehmend von der Euromorphologie geprägt.

 

Daraus resultiert ein doppeltes Paradoxon: einerseits nimmt die Bedeutung des Neulateins in dem Maße zu, in dem der Lateinunterricht und die Kenntnis der klassischen Sprachen abnehmen und andererseits führt die Globalisierung zu einer Homologisierung des Wortschatzes, die auf Kosten der jeweiligen ererbten sprachlichen Kontinua  geht und den klassischen Sprachen durch deren Klammerfunktion bei den Kommunikation zunehmend Vorteile verschafft.