Elke Richter

Elke Richter

Albert Camus: Kultur-Kontakte im Mittelmeerraum

 

In den letzten zehn Jahren ist ein Perspektivenwechsel in der Camus-Forschung zu beobachten, der die nationale Verortung des Autors betrifft: Man entdeckt Camus als Algerier neu bzw. macht die spezifische algérianité seines Werks aus. Der Beitrag setzt sich kritisch mit dem Versuch einer derart nationalen Verortung Camus’ – sei diese französisch, sei diese algerisch – auseinander, und zwar in zweierlei Hinsicht. Erstens zeigt eine Analyse von Camus’ essayistischem Werk, dass Camus’ Zugehörigkeit weniger in nationalen Zusammenhängen als in einem Mittelmeerraum zu finden ist, der in Begriffen rezenter Kulturtheorien als interkultureller Raum beschrieben werden kann. Das Bild, das Camus von diesem Raum zeichnet, ist durch Pluralität und Diversität der Kulturen bestimmt bzw. durch eine Einheit, die in den geografisch-klimatischen Gegebenheiten des Raums zu finden ist, nicht aber im Begriff der Nation, den Camus als abstrakt verwirft.

Die Untersuchung zweier Novellen aus dem Jahr 1957 unterstreicht diese Interpretationsrichtung. Anhand einer kontrapunktischen Lektüre, die Figuren, Perspektiven und Fragen des Raums genauer in den Blick nimmt, wird aufgezeigt, dass aus Camus’ fiktionalen Texten weder eine koloniale noch eine antikoloniale Haltung herauszulesen ist, sondern dass diese vielmehr Ambivalenz und Uneindeutigkeit dem Kolonialgeschehen gegenüber eröffnen. Damit wird einer gängigen, im Rahmen der postcolonial studies z. B. auch von Edward Said aufgestellten These widersprochen, Camus’ fiktionale Texte seien lediglich Ausdruck eines europäischen kolonial-imperialen Diskurses, der Autor selbst eine „späte imperiale Gestalt“ (Said).

 

 

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