Margot Brink

Margot Brink

Topische Gedächtnis- und Wissensräume. Aktuelle Toposforschung im Kontext von Kulturvergleich und -transfer

 

Die von Ernst Robert Curtius eingeführte und für die Entwicklung der historischen Komparatistik grundlegende Toposforschung wurde nach einer Phase der intensiven Kritik in den 1970er Jahren im darauf folgenden Jahrzehnt von der Intertextualitätstheorie weitgehend abgelöst. Gegenwärtig lässt sich jedoch ein erneutes Interesse an einer allerdings grundlegend reformulierten Toposforschung ausmachen. Es handelt sich um Ansätze, die in kritischer Auseinandersetzung mit Curtius die Konzepte von Topoi und Topik mit kulturwissenschaftlichen Fragestellungen gewinnbringend verbinden: zum einen im Bereich der Kultursemiotik, der Intertextualität und der damit verknüpften memory studies, zum anderen im Spektrum der interdisziplinären Untersuchung der Funktion von Topoi und Topik für die Tradierung und den Wandel von Wissen(schaft)sdiskursen.

Der Beitrag stellt diese aktualisierte Toposforschung vor und zeigt an einem literarischen Beispiel, dem Topos der dame sans mercy als einem Muster im frühneuzeitlichen Wandel, dass die Analyse eines solchen Topos Erkenntnisse über gefühlskulturelle Modelle und Transformationen zu geben vermag. Abschließend werden die theoretisch-methodischen Konsequenzen, die sich aus den Ansätzen einer kulturwissenschaftlich reformulierten Toposforschung für die Analyse von Prozessen des Literatur- und Kulturvergleichs bzw. -transfers ergeben, erörtert. Dies geschieht insbesondere mit Blick auf eine notwendig erscheinende Historisierung von Textbegriffen und Intertextualitätskonzepten.