Ute Heidmann

Ute Heidmann

„La différence, ce n’est pas ce qui nous sépare“. Pour une analyse différentielle des relations littéraires et culturelles

[Plädoyer für einen ,Differenzierungsvergleich‘ in den Literatur- und Kulturwissenschaften]

 

Dieser Beitrag erläutert die epistemologischen und methodischen Grundlagen einer Vergleichsmethode, die man als comparaison différentielle oder ,Differenzierungsvergleich‘ bezeichnen kann. Diese Vergleichsmethode teilt zahlreiche erkenntnistheoretische Voraussetzungen mit den Studien zum Kulturtransfer und zur interkulturellen Kommunikation von Hans-Jürgen Lüsebrink, Roger Chartier und Michel Espagne, aber durch die besondere Bedeutung, die sie dem Phänomen der Intertextualität und Dialogizität zuerkennt, auch mit den Arbeiten von Manfred Schmeling und Peter V. Zima. Ausgehend von Edouard Glissants Postulat, dass Unterschiede uns nicht trennen, sondern im Gegenteil elementare Bestandteile jeglicher Beziehung sind (« La différence, ce n’est pas ce qui nous sépare »), zeigt die hier vorgestellte Analysemethode, dass auch die Wechselbeziehungen zwischen den Literaturen und Kulturen wesentlich von einem dialogischen Differenzierungsprozess bestimmt sind.

Die erkenntnistheoretische Effizienz der vorgeschlagenen Vergleichsmethode zeigt die vorliegende Studie anhand der Umgestaltung und Umarbeitung einerseits dessen, was wir gemeinhin als ,griechische Mythen‘ bezeichnen, andererseits der ,kanonisierten‘ Märchen (z. B. Rotkäppchen). Der differenzierende Vergleich dieser Werke misst ihren sprachlichen, textuellen, intertextuellen, diskursiven und medienspezifischen Verfahren sinnschaffende Bedeutung zu. Solche Vergleiche zeigen, dass die Mythen- und Märchenbearbeitungen weder auf sogenannte Archetypen oder Prototypen noch auf rein nationale Paradigmen reduziert werden können, sondern ihre ganz verschiedenen und kulturspezifischen Bedeutungen einer weitgreifenden intertextuellen oder intermedialen, internationalen und interkulturellen Dialogizität verdanken.

Die Erforschung des ,Differentiellen‘ führt demnach nicht zur Diagnose unüberwindbarer Unterschiede, sondern ermöglicht es, konkret deutlich zu machen, dass Kulturentwicklung schlechthin in einem interkulturellen Prozess von Frage und Antwort, Adaptation und Variation, Sinnvorschlag und Gegenvorschlag verläuft.

 

 

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