Saarbrücker Forscher spüren den Geheimnissen der Jahrtausende nach

Saarbrücker Forscher spüren den Geheimnissen der Jahrtausende nach

 


In einem geförderten Projekt werten Prähistoriker bis zu 7500 Jahre alte Funde aus

 

Semesterferien sind woanders. Saarbrücker Prähistoriker fahren seit 1983 im Sommer nach Drama in Bulgarien, um dort mehrere Siedlungen aus vielen Tausend Jahren auszugraben und die Funde zu interpretieren. Sie lernen dabei viele Dinge über die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft aus vorchristlicher Zeit.


Von Thorsten Mohr

 

Sie sind Jäger und Sammler und leben doch in der Gegenwart. Gegenstand ihres Berufes ist die Vergangenheit. Sie jagen und sammeln die Spuren unserer Vorfahren aus vielen Jahrtausenden. Und wie viel Saarbrücker Prähistoriker unter der Leitung des inzwischen verstorbenen Professors Jan Lichardus und nun unter Professor Rudolf Echt über die Lebensweise der frühzeitlichen Siedler herausfinden, ist erstaunlich.

 

Eine Katastrophe vor rund 6500 Jahren in der Gegend des bulgarischen Dörfchens Drama bietet den Spurensuchern der Gegenwart eine wahre Fundgrube an Hinterlassenschaften. „Wir konnten diese großen Datenmengen sammeln, weil die Siedlung niedergebrannt ist“, so Professor Echt. Nach einem Feuer ist die Siedlung aus der frühen Kupferzeit lange nicht mehr aufgebaut worden. Von 1983 bis 2003 gruben Wissenschaftler und Studenten aus Saarbrücken und Sofia die Überreste auf dem Siedlungshügel Merdžumekja aus. Nun werten sie diese Funde, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, aus.

 

Seit dem 15. August sind Saarbrücker Wissenschaftler und Studenten vor Ort in Drama. Am 21. September kommen sie zurück. Die Auswertung der Fundstücke wird noch weitere fünf bis zehn Jahre dauern, schätzt Rudolf Echt. Knochenfunde aus der Zeit des Brandes zeugen etwa von der damaligen Viehwirtschaft der Menschen und der Natur, die sie umgab. Außerhalb ihres von einem Ringgraben geschützten Dorfes lebten Wildschweine, Braunbären, Auerochsen und Wölfe. Sieben Prozent der Knochenfunde in Merdžumekja stammen von solchen Wildtieren. Der Rest sind Haustierknochen von Schafen, Ziegen, Schweinen und Hunden. So kommen die Wissenschaftler ihrem Ziel näher, die Einflüsse mehrerer Tausend Jahre dauernder menschlicher Besiedlung auf die Umwelt und umgekehrt nachzuvollziehen. Außerdem können sie mit der systematischen Ausgrabung auf einem vollständig erschlossenen Siedlungshügel den Übergang von der rein agrarischen Wirtschaft der Jungsteinzeit zur arbeitsteiligen Wirtschaft der Kupferzeit verfolgen.

 

Auch auf die Religion und das soziale Leben im Dorf der Siedler können die Wissenschaftler Rückschlüsse ziehen. In kleinen Tonfigürchen und Plättchen sehen die Forscher Amulette und religiöse Gegenstände. Mit der Verwendung von Metallen begannen die Menschen auch, sich zu spezialisieren. Zwei kleine Kupfermeißel, welche die Wissenschaftler in der Siedlung fanden, signalisieren den Beginn der Kupferzeit. In der Folge wurden aus „Allround-Siedlern“ Spezialisten, zum Beispiel Krieger, Handwerker und Händler. In den 25 sicher zu rekonstruierenden Häusern der Siedlung – viele Häuser überlagern sich mit Baugruben und Grundrissen anderer Siedlungen – fanden die Forscher Hunderttausende Scherben von Tongefäßen. Aus diesen setzten sie rund 1000 Gefäße wieder zusammen. Deren Form, Verzierung und Machart bezeugen die Zugehörigkeit der kupferzeitlichen Siedler zu einem von der Dobrudža im Nordosten Bulgariens bis Thrakien im Süden des Landes verbreiteten Verband. Anzahl und Qualität der Gefäße pro Haushalt geben Auskunft darüber, wie die sozialen Strukturen in dem prähistorischen Dorf ausgesehen haben.

 

Dabei ist diese Siedlung aus der frühen Kupferzeit nur eine von insgesamt fünf Siedlungen, die in der Region um Drama ausgegraben wurden. Die ersten zaghaften Siedlungsspuren sind ungefähr 7500 Jahre alt, die jüngsten vorgeschichtlichen Spuren stammen aus römischer Zeit.

 

„Wir konnten diese großen Datenmengen sammeln, weil die Siedlung niedergebrannt ist.“ Professor Rudolf Echt, Vor- und Frühhistoriker der Saar-Uni

 

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