Die größtmögliche Wirkung mit den kleinsten Mitteln

Die größtmögliche Wirkung mit kleinsten Mitteln


Mikrofluidik

Physikerin Heike Kreher möchte mithilfe winziger Flüssigkeitsmengen Medikamententests vereinfachen

Eine halbe Milliarde Euro für Forschung und Entwicklung über zwölf Jahre: So viel Zeit und Geld investieren Forscher und Pharmaunternehmen in die Medikamentenentwicklung – pro Medikament, wohlgemerkt. Daran möchte Heike Kreher von der Saar-Uni etwas ändern. Die junge Forscherin will die aufwändigen und teuren Tests automatisieren. Helfen soll ihr dabei das spezielle Strömungsverhalten, das kleinste Flüssigkeitsmengen an den Tag legen.

Von Thorsten Mohr

Große Errungenschaften beginnen oft im Kleinen. So gesehen müsste Physikerin Heike Kreher sich auf einem guten Weg befinden, etwas wirklich Großes zu erringen. Denn das Spezialgebiet, in dem sie bei Mechatronik-Professor Helmut Seidel ihre Doktorarbeit schreibt, hört auf den Namen Mikrofluidik. Darunter versteht man, einfach ausgedrückt, das Verhalten von Flüssigkeiten in winzigen Dosierungen. Diese fließen nämlich anders, wenn sie in kleinen Mengen vorkommen.

Erforschung und Entwicklung eines einzigen Medikamentes kosten im Schnitt rund 530 Millionen Euro, so der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VfA). Zehn bis zwölf Jahre vergehen lauf VfA, bis ein Medikament auf den Markt kommt.

Das liegt unter anderem daran, dass Testlabors bisher eher Manufakturen als Fabriken sind. Verschiedene Wirkstoffmischungen, die Nährlösung und die Zellen, an denen die Arzneimittel wirken sollen, müssen mühsam mit der Pipette in der Hand in 200 Mikroliter (ein Millionstel Liter) große Schälchen eingefüllt werden. Für Mikrofluidik-Expertin Heike Kreher sind diese Behälter eher ein großer See. Von diesen Schälchen wiederum werden manchmal Hunderte für eine einzige Testreihe mit den Nährstoffen, Wirkstoffen und teurem Zellmaterial gefüllt. „Stößt man dabei unbemerkt mit der Pipette irgendwo dagegen und macht weiter, kann es sein, dass am Ende des Tests nach zwei Wochen alle Proben dahin sind, weil sie verunreinigt waren“, erläutert Physikerin Heike Kreher. Innerhalb dieser Zeit lagern die Testreihen in teuren Brutschränken, die konstant 37 Grad Celsius warm sein müssen. All das macht Medikamententests bisher zu einer aufwändigen und teuren Angelegenheit.

Zelllinien züchten, Nährlösungen herstellen, Wirkstoff-Kombinationen mischen: Diese Arbeitsschritte möchte die gebürtige Hessin automatisieren. Simpel erklärt, sollen die Grundbausteine in ein geschlossenes System eingefüllt werden, dann drückt der Pharmazeut auf den Knopf und wartet auf das Ergebnis. Helfen soll dabei die Tatsache, dass Flüssigkeiten, die in Milliardstel Litern gemessen werden, in höchstens haarfeinen Mikrokanälen einfach nebeneinanderher fließen, ohne sich zu vermischen. „Bei solch winzigen Mengen entstehen keine Verwirbelungen“, erklärt die 27-Jährige das Phänomen. Lediglich an der Grenzfläche zwischen den Flüssigkeiten kommt es zu einem Austausch. Schickt man die Medikamenten-Wirkstoffe nun durch einen einzigen Kanal, vermischen sie sich nur wenig. Schickt man die Flüssigkeiten durch viele Kanäle, erhöht sich die Größe der Grenzfläche zwischen den Flüssigkeiten, mehr Flüssigkeitspartikel werden ausgetauscht und damit die Wirkstoff-Kombination verändert. Am Ende landen die Wirkstoffkombinationen ohne äußeren Antrieb, nur durch die so genannten Kapillarkräfte angezogen, in Behältern, die um das Tausendfache kleiner sind als die herkömmlichen Schälchen. Computergesteuert könnten diese Schälchen konstant auf 37 Grad gehalten werden. Teure Brutschränke gehören in Heike Krehers Testwelt der Vergangenheit an.

Bis es soweit ist, können sich die Brutschrank-Hersteller der Welt aber noch ein wenig entspannen. „Bisher habe ich lediglich gerechnet. Aber im nächsten Jahr um diese Zeit soll der erste Prototyp des Testsystems in Zusammenarbeit mit unserem koreanischen Partnerinstitut Kist auf dem Saarbrücker Campus fertig sein“, lautet ihr Plan. „Ob der auch funktioniert, steht aber auf einem anderen Blatt“, sagt die Physikerin. Naturwissenschaft ist eben ein hartes Brot. Versuch und Irrtum lautet, Hightech hin oder her, immer noch die oberste Devise. Viele kleine Schritte sind also noch nötig, bis Heike Kreher am Ziel sein wird. Bis dahin wird garantiert noch sehr wenig Wasser die Mikrokanäle herunter fließen.

 

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