Denn sie wissen, was sie tun

Denn sie wissen, was sie tun


Chirurgiestudenten an der Saar-Uni können im Studium bereits intensiv forschen und so ihre spätere Karriere besser planen

Labore sehen Mediziner normalerweise recht selten. Das ist in Homburg anders. Angehende Chirurgen können hier ein Jahr lang forschen und sich so vertiefte Kenntnisse für ihren Arztberuf erarbeiten.

von Thorsten Mohr

„Die Biologen lachen ja ein bisschen über uns“, sagt Otto Kollmar. Er ist kein leidenschaftlicher Witzeerzähler oder etwa Clown. Otto Kollmar ist Oberarzt und habilitierter Mediziner. Das bedeutet, er hat eine Lehrbefähigung an der Universität, eine der höchsten akademischen Weihen überhaupt. Was Biologen aus seiner Sicht viel eher zur Erheiterung bringt, ist die Vorstellung eines forschenden Arztes. „Die Barriere für einen Mediziner, der in die Forschung will, ist extrem hoch“, erklärt Chirurg Kollmar. Angehende Ärzte lernen im Studium kaum wissenschaftliches Arbeiten, zu sehr steht die Behandlung der Patienten im Vordergrund. „Wie halte ich Vorträge, wie erstelle ich eine Statistik, wie gestalte ich ein Experiment sinnvoll? So etwas lernen Mediziner nicht im Studium“, zählt Otto Kollmar auf. Für Experimente und Statistiken sind die Biologen, Biochemiker und Statistiker da.

Genauer gesagt: So etwas lernen Mediziner meistens nicht im Studium. Denn in Homburg haben angehende Chirurgen sehr wohl die Möglichkeit, bereits während des Studiums intensiv zu forschen. „Man versteht Medizin dann besser. Es ist wie ein zweiter Bildungsweg“, erklärt Otto Kollmar, der im Jahr 2003 als Assistenzarzt eine einjährige Forschungspause einlegte.

Damals kam er in Kontakt mit Michael Menger, Professor für Experimentelle Chirurgie in Homburg und Dekan der Medizinischen Fakultät, der jungen Medizinern eine Forschungspause mit einem speziellen Ausbildungsprogramm ermöglicht. Menger hat sich das Programm für junge Chirurgen gemeinsam mit Professor Martin K. Schilling ausgedacht. Schilling, Direktor der Klinik für Allgemeinchirurgie, ist seit 2001 Kollmars Chef. Inzwischen sind neben dem Institut für Experimentelle Chirurgie auch die drei Homburger Chirurgischen Kliniken für Allgemein-, Unfall- und Herz-Thorax-Chirurgie beteiligt.

Das Programm „Chirurgische Forschung im klinischen Alltag“ soll wissenschaftsbegeisterten Medizinstudenten ermöglichen, bereits während ihres Studiums intensiv in den Laboren zu forschen und Fachkongresse zu besuchen, Vorträge zu halten und zu publizieren. So profitieren alle Beteiligten: Die Studenten arbeiten ein Jahr lang völlig frei an einem selbst entwickelten Projekt im Labor. Außerdem gelingt ihnen so überhaupt erst der Schritt in die Welt der medizinischen Forschung. Denn der erste Schritt ist meist der schwierigste, da jemand, der sich noch keinen Namen gemacht hat, oft nicht das Geld auftreiben kann, um eigene Forschung zu betreiben. „Sie können das ja gar nicht, sie sind ja Studenten“, sagt Otto Kollmar. Das ist im Homburger Chirurgenprogramm anders. Menger, Schilling und Kollmar stehen den Studenten mit Rat und Hilfe beiseite, beispielsweise, wenn es um die Formulierung von Anträgen für die Forschungsförderung geht. Weiterer Vorteil: Der wissenschaftliche Nachwuchs rekrutiert sich quasi selbst. Kollmar, einst der erste junge Forscher im Programm, führt heute mit 37 Jahren Studenten an die medizinische Forschung heran.

Oft sitzen Studenten und Ärzte völlig verschiedener Couleur am Tisch und diskutieren. „Da sitzt einer, der beschäftigt sich nur mit Zellen, eine andere arbeitet ausschließlich am so genannten Intravitalmikroskop, jemand Drittes forscht an Knochen“, beschreibt Kollmar solche kreativen Treffen, die er zuvor, in Berlin und Bern, nicht kannte. Das begeistert ihn. „Man muss ja querdenken, um neue Erkenntnisse zu gewinnen“, sagt er. „Sonst könnte ich ja auch ein Schulbuch lesen.“

Weit über das Lesen von Schulbüchern hinaus ist auch Madlen Seidel. Die 27-jährige Medizinstudentin ist im Sommersemester unter anderem wegen des Forschungsprogramms der Chirurgen ins Saarland gekommen. „Ich habe im Internet gelesen, was die Chirurgie hier alles bietet, und war beeindruckt“, sagt Seidel, die zuvor in Jena studierte. Sie musste nicht lange überlegen. „Das war genau das, was ich gesucht habe“, sagt sie. Derzeit arbeitet sie an Forschungsprojekten, um ihrem Ziel der Habilitation näherzukommen. So forscht sie gerade daran, die Blutversorgung von Zellen zu verbessern, die auf künstlichen Gerüsten gezüchtet werden. Zeitgleich laufen sowohl das Medizinstudium als auch ihre Promotion weiter. Letztere will sie im Herbst abschließen.

Madlen Seidel schätzt vor allem die Unterstützung der Professoren und erfahrenen Ärzte in Homburg. „Die Chefs kümmern sich um die Studenten. Das ist an anderen Unis nicht in dem Maß der Fall“, sagt die junge Wissenschaftlerin. Für Mediziner ebenfalls enorm wichtig: „Man kann hier hochwertig publizieren.“ Heißt: Sie kann Artikel in wissenschaftlichen Fachpublikationen unterbringen.

Wohin diese zweigleisige Ausbildung führen kann, zeigt das Beispiel Otto Kollmars. Er hat es geschafft, die große Hürde der Habilitation bereits früh zu nehmen und dabei die eigentliche Arbeit als Arzt nie aus den Augen zu verlieren. Biologen, Biochemiker oder Statistiker, die über ihn lachen, sieht Kollmar übrigens nur noch höchst selten. Der Grund ist einfach: „Das kann ich alles selbst machen.“

 

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