Student erleichtert Rentner das Leben

Student erleichtert Rentner das Leben


Weil er im Projekt „Wohnen für Hilfe“ ein Rentnerpaar im Alltag unterstützt, zahlt Janvier Lafleur keine Miete

Schaut man nur auf Geburtsdatum und Herkunft, dann trennen das ungleiche Team aus Student und Rentner knapp sechzig Jahre und fast fünftausend Kilometer: Janvier Lafleur ist 21 Jahre alt und kommt aus Kamerun. Der 80-jährige Markus Sirovica stammt aus dem ehemaligen Jugoslawien und kam nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland. Seit Anfang September wohnen beide unter einem Dach – dank des Generationenprojekts „Wohnen für Hilfe“.


von Karin Stenftenagel

Janvier Lafleur ist zufrieden: Endlich findet er Anschluss in der Fremde, weit weg von seiner Familie in Afrika. Der Pharmaziestudent ist seit einem Jahr in Deutschland. Seit vier Monaten lebt und studiert er in Saarbrücken. Im Studentenwohnheim fühle er sich nicht genug integriert, sagt er. „Zu Hause in Kamerun wohnt die ganze Familie zusammen in einem großen Haus, man ist nie allein“, erzählt er. Im Studentenwohnheim sei die Atmosphäre anonymer. „Man kennt sich zwar, aber jeder geht doch seinen eigenen Weg.“ Er ist der Einzige aus seiner Familie, der momentan in Europa lebt. Seine sieben Geschwister sieht er nur sehr selten: „Der Flug ist einfach zu teuer.“ Deshalb hat er auch gleich nachgefragt, als er beim Studierendenwerk das Plakat des Projekts „Wohnen für Hilfe“ gesehen hat. Janvier meldete sich an, zwei Wochen später kam die Antwort per E-Mail: Dieter Horn vom Studierendenwerk stellte den Kontakt zu dem Ehepaar Sirovica in Brebach her.

Auch Markus Sirovica machte eine lange Reise, bis er den Weg ins Saarland fand: Geboren in einer deutschen Enklave im heutigen Serbien, kam er nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland. „Meine Vorfahren kommen aus Elsass-Lothringen, und so bin ich im Saarland gelandet“, erzählt er. Doch er sei von der heutigen Gesellschaft schwer enttäuscht. „Es gab nie eine Entschädigung für das, was wir durch Hitler und Tito erleiden mussten.“ Auch jetzt im Alter bekomme er nicht die nötige Unterstützung. Er und seine Frau sind gehbehindert. Sie verbringt die meiste Zeit in ihrem Sessel vor dem Fernseher. Derweil kocht ihr Mann und kümmert sich um Haushalt und Garten, so gut er kann. Eine Haushälterin können sich die beiden nicht leisten, Familie haben sie kaum noch. Die einzige Tochter starb im Alter von 45 Jahren, am Bodensee lebt noch ein Cousin. Da kam „Wohnen für Hilfe“ wie gerufen. Die Idee ist einfach: Ein Student oder eine Studentin wohnt komplett mietfrei bei einer älteren Person. Pro Quadratmeter Wohnfläche, den der Student bewohnt, hilft er dem Vermieter eine Stunde pro Monat. Wer also ein zwanzig Quadratmeter großes Zimmer bewohnt, hilft 20 Stunden lang zum Beispiel beim Einkaufen und bei der Gartenpflege.

Die Wohnung in Brebach hat Markus Sirovica von der Halberger Hütte abgekauft, bei der er die letzten 20 Jahre seines Berufslebens als technischer Angestellter gearbeitet hat. Nahezu idyllisch ruhig und von viel Grün umgeben, bietet sie ideale Lernbedingungen. Im Dachgeschoss hat Janvier sein kleines Reich mit eigenem Badezimmer und kleiner Kochstelle. Ungefähr 16 Quadratmeter sind das – das entspräche also 16 Stunden monatlich, in denen er den Senioren behilflich sein muss. Aber Janvier zählt die Stunden nicht. „Auf zwei oder drei Stunden mehr kommt es mir nicht an.“ Er tue das gerne, sagt er, „Wenn er Hilfe braucht, bin ich da.“

Die braucht Markus Sirovica vor allem im Garten, wo er eigene Bohnen, Kürbisse und fast alles anbaut, was er zum täglichen Leben braucht. Er erntet dort auch Essiggurken, die er selbst einmacht. Davon könnte sich die jüngere Generation eine Scheibe abschneiden, wie er findet: „Die können heutzutage ja gar nicht mehr richtig kochen, sie kaufen alles fertig im Supermarkt ein.“ Überhaupt tue er sich schwer, das Leben der jungen Leute zu verstehen. Der Alltag mit seinem studentischen Mitbewohner wird da vielleicht bald Abhilfe schaffen.

„Wenn er Hilfe braucht, bin ich da.“
Student Janvier Lafleur

 

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