"Studienanfänger werden immer jünger"

„Studienanfänger werden immer jünger“






Was denken Professoren wirklich über die Studenten von heute? Eine Stichprobe unter drei Hochschullehrern der Saar-Uni









Schüler bewerten ihre Lehrer, Studenten ihre Professoren – auf diversen Internetportalen können sie ihrer Meinung freien Lauf lassen. Umgekehrt geschieht das selten. Doch was denken Professoren heutzutage wirklich über ihre Studenten? Drei Professoren der Saar-Uni erzählen, was ihnen gefällt – und was sie nervt.

Von Melanie Löw

In der Vorstellung, die Welt verändern zu können, diskutierten Studenten früher über verschiedene Weltbilder, Politik, Religion und Revolution. Von diesem Geist der 68er-Bewegung ist heute in unserer Leistungsgesellschaft kaum etwas zu spüren. Doch welches Bild gibt die heutige Studentengeneration ab? „Was mir auffällt, ist, dass die Studienanfänger immer jünger werden“, sagt die Saarbrücker Jura-Professorin Annemarie Matusche-Beckmann. „Eben erzählen ihre Eltern ihnen noch Gutenachtgeschichten, heute sollen wir ihnen dann komplexe Fragen des Wirtschaftsrechts näherbringen“, fügt sie augenzwinkernd hinzu. Aufgrund der verkürzten Schulzeit, des Wegfalls des Wehrdienstes und der Schnelllebigkeit ziehe sich bei den jungen Leuten der Zeitdruck wie ein roter Faden durch das ganze Studium. Die Entwicklung der Persönlichkeit, Neigungen und Raum für Kreativität bleiben dabei teilweise auf der Strecke, gibt sie zu bedenken. „Bildung braucht aber nicht nur Wissen, sondern auch Zeit“, ergänzt die Juristin, der durchaus bewusst ist, dass die fehlende Zeit eine Tatsache ist, an der die Studenten wenig ändern könnten. An der heutigen Studentengeneration lobt sie die Disziplin und das Interesse, das sie für das Fach Jura mitbringt. „Die jungen Leute gehen unbefangener an Themen heran, das finde ich gut“, sagt sie. „Am besten ist es, wenn Studenten eine Leidenschaft für ihr Fach mitbringen und nicht in erster Linie spätere Gehaltsvorstellungen im Sinn haben.“

Im Unterschied zu seiner Kollegin vermisst Heiko Rieger, Professor für Theoretische Physik, bei seinen Studenten oft die Arbeitsbereitschaft, die zum Erlernen grundlegender Techniken notwendig sei. Rieger stellt oft fest, dass seine jungen Studenten unzureichend vorbereitet von der Schule zu den Lehrveranstaltungen an die Uni kommen und den Studiengang Physik unterschätzen. „Es gibt enorme Unterschiede zwischen schulischem und universitärem Lernen“, erzählt der Saarbrücker Physiker. „Viele Studenten erwarten, dass der Dozent ihnen alle für das Studium relevanten Fakten und Zusammenhänge vermittelt, ohne dass sie selber aktiv werden müssen.“ Während seiner Studienzeit waren die Studienbedingungen auch nicht immer optimal, was man allerdings durch Engagement und eigenständiges Arbeiten ausglich, erinnert er sich. „Zuweilen fehlt mir hier die Initiative und der Wille zur eigenen Leistung“, schiebt Rieger ein.

Positiv bewertet der Physiker jedoch, dass sich mehr junge Frauen entschließen, ein naturwissenschaftliches Studium aufzunehmen. „In der Vorlesung für das erste Semester haben wir knapp 30 Prozent Zuhörerinnen“, erzählt Rieger. Die Studentinnen seien oft engagierter als ihre Kommilitonen und verbesserten die Arbeitsatmosphäre, die in Fächern wie Physik früher durch die hohe Anzahl an männlichen Wissenschaftlern und Studenten geprägt gewesen sei. Auch dass junge Menschen heute technisch sehr versiert sind, findet der Physik-Professor sehr gut: „Die Routine im Umgang mit Computern und elektronischen Geräten ist gerade in den Naturwissenschaften von Vorteil.“ Der bekennende Langschläfer schätzt zudem die Pünktlichkeit seiner Studenten. „Wenn sie in der Frühe zu spät zur Vorlesung kommen, liegt es meist nicht an ihnen, sondern an den öffentlichen Verkehrsmitteln“, weiß Rieger aus Erfahrung.

Ähnlich sieht es auch der Musikwissenschaftler Professor Rainer Kleinertz: „Langschläfer sind bei meinen Studenten eher ein seltenes Phänomen.“ Allerdings bemängelt Kleinertz die oft fehlende Neugier der jungen Menschen und bemerkt immer wieder eine gewisse Unreife bei seinen Studenten. „Gastvorträge oder andere Veranstaltungen, die über den Tellerrand hinausgehen, werden kaum wahrgenommen“, berichtet der Musikwissenschaftler, der sich derzeit um 380 Studenten kümmert. Viele seien jedoch sehr engagiert und bemüht, das Studium in der Regelstudienzeit zu schaffen, fügt er lobend hinzu. Bei anderen missfällt ihm, dass sie sich nicht sorgfältig auf ihre Seminare vorbereiten. So sei es zum Beispiel keine Seltenheit, dass die Studenten nur wenige Stunden für die Vorbereitung ihrer Referate aufwenden, anstatt sich über mehrere Tage intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen. „Hier würde ich mir mehr Fleiß und eine höhere Belastbarkeit wünschen“, gibt der Saarbrücker Professor zu bedenken. Kleinertz ist dabei durchaus bewusst, dass engagierte und weniger motivierte Studenten kein neues Phänomen sind: Diese Unterschiede hat es auch früher schon gegeben.“

 

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