Frank-Rutger Hausmann

Frank-Rutger Hausmann

 

Die deutsch-französische Kulturpolitik im Zweiten Weltkrieg: Der Kriegseinsatz der deutschen Geisteswissenschaften, das Deutsche Institut Paris und die Europäische Schriftsteller-Vereinigung (Abstract)

 

Es ist bekannt, dass das Naziregime das Kulturleben in einem bis dahin ungekannten Ausmaß versklavt hat. Dennoch bleiben die nationalsozialistische Kulturpolitik und die Kollaboration europäischer Intellektueller weithin Tabuthemen. Die Ziele und Instrumente dieser Kulturpolitik sowie ihr Einfluss sollen hier an drei Beispielen untersucht werden: zunächst der ‚Kriegseinsatz der deutschen Geisteswissenschaften’, der Wissenschaftler verschiedener Fachbereiche zusammenführte, darunter auch renommierte Romanisten, die die Überlegenheit der deutschen Kultur vor Augen führen sollten. Außerdem das Deutsche Institut Paris, das eine rege Kulturaustauschtätigkeit entfaltete. Konzerte, Theaterstücke, Kongresse, Übersetzungen und Sprachkurse zogen Tausende von Franzosen an, die man für die deutsche Sache gewinnen oder zumindest in ihrem Attentismus bestärken wollte. So wollten die deutschen Besatzer die Richtung des Kulturtransfers umkehren und der deutschen Kultur eine führende Rolle sichern. Ein drittes Beispiel ist die ‚Europäische Schriftsteller-Vereinigung’, die 1941 von Goebbels initiiert worden war. Sie umfasste etwa 200 Schriftsteller aus Deutschland, Frankreich und anderen besetzten oder verbündeten Ländern und vereinte sie unter dem Vorzeichen eines ‚neuen Europa’, das die widerwärtigen Seiten der deutschen Vorherrschaft verschleiern sollte.

Die Vichy-Epoche war vielleicht die Zeit des intensivsten deutsch-französischen intellektuellen Austauschs. Dieser Austausch wurde jedoch von verschiedenen politischen und kulturellen Netzwerken des Naziregimes gesteuert und instrumentalisiert. Zwar sind die Motive einiger Mitwirkender verständlich, und eine vorbehaltlose Verurteilung der gesamten Kulturproduktion der Epoche ist nicht angebracht. Ihr haftet aber dennoch ein Geruch von Käuflichkeit und sogar Komplizität mit dem Naziregime an. Nach 1945 versuchten die Akteure des Kulturlebens ihre Beteiligung zu verleugnen oder herunterzuspielen, und dieselben Romanisten, die vorher mit Verve den angeblichen französischen Kulturimperialismus angeprangert hatten, lobten nun die französische Kultur als Verkörperung des Fortschritts.

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