29.03.2023

Hannover Messe: Smarte Folie macht Lautsprecher leicht und energieeffizient

Forscherin Sophie Nalbach ist mit großen Lautsprechern zu sehen, in denen Folien statt Elektromagnete die Membranen bewegen.
© Oliver DietzeIn Lautsprechern kann die smarte Folie als neuartiger Antrieb Elektro- oder Permanentmagnete ersetzen, die die Lautsprechermembranen bewegen. Aber auch die Folie selbst kann zum Lautsprecher werden und Töne erzeugen. Sophie Nalbach hat im Rahmen ihrer Doktorarbeit bei Professor Stefan Seelecke an den smarten Folien geforscht.

Leichtere Lautsprecher, die weit weniger Strom verbrauchen als heutige Boxen, neuartige Bauformen für Klang- und Signalgeber, aber auch Anwendungen wie schallschluckende Textilien: Die intelligenten Materialien des Forschungsteams der Professoren Stefan Seelecke und Paul Motzki an der Universität des Saarlandes machen nachhaltigere Lautsprecher möglich. Basis sind hauchdünne Silikonfolien: Die künstlichen Muskeln dienen zugleich als Antrieb und als Sensor.

Auf der Hannover Messe vom 17. bis 21. April zeigen die Forscherinnen und Forscher ihre neue Technologie in Halle 002 am Stand B34.

Die englische Version und Pressefotos finden Sie am Ende der Seite. / English version and press photographs below.

Hauchfeine Folien können schwere und stromschluckende Bestandteile heutiger Lautsprecher ersetzen und so die Boxen der Zukunft leichter und nachhaltiger machen. Dies würde nicht nur Bühnentechnik und Roadies beim Auftürmen der schwarzen Lautsprecherboxen in Stadien und Konzertsälen entlasten. Vor allem könnte dies den Stromverbrauch auch millionenfach in Privathaushalten senken. Beschallungsanlagen brauchen mit ihren zumeist magnetischen Antrieben einiges an Strom – bei großen Events kommen schnell Hunderttausende von Watt zusammen. Aber auch im Hausgebrauch schlagen sie zu Buche, sei es in Musikanlage oder Heimkino. Und kabellos betrieben leeren sich Batterien oder Akkus von Lautsprechern zusehends.

Erheblich energieeffizienter wäre die Technologie, die das Forschungsteam um Professor Stefan Seelecke am Lehrstuhl für intelligente Materialsysteme der Universität des Saarlandes und am Saarbrücker Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik Zema entwickelt. Sie kommt ohne teure oder schwer verfügbare Materialien aus: Silikonfolie und Ruß sind neben einer intelligenten Ansteuerung alles, was nötig ist. Auch neue Bauformen für Lautsprecher werden möglich. „Mit unseren intelligenten Materialsystemen aus dielektrischen Elastomeren lässt sich im Bereich der Akustik vieles neu denken. Mit ihnen könnte die Lautsprechertechnik mit Blick auf mehr Nachhaltigkeit weiter verbessert und weiterentwickelt werden“, sagt Professor Stefan Seelecke.

Die denkbaren Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig: Zum Beispiel lassen sich die Folien in Textilien integrieren, die etwa an Wänden angebracht, durch Noise Cancelling Umgebungsgeräusche auf neue Art schlucken oder auch, am Körper getragen, akustische Signale geben könnten. Auf der Hannover Messe suchen die saarländischen Forscherinnen und Forscher Partner, mit denen sie ihre Technologie für neue Anwendungen weiter erforschen und weiterentwickeln können.

Die Technologie beruht auf dünner Silikonfolie, einem so genannten dielektrischen Elastomer, und funktioniert mit wenig elektrischem Strom. Indem sie das elektrische Feld verändern, können die Saarbrücker Forscherinnen und Forscher die Folie nach Belieben hochfrequent vibrieren oder stufenlose Hub-Bewegungen vollführen lassen. In Lautsprechern könnte sie – hier in speziell zusammengerollter Form – als neuartiger Antrieb schwere und viel Energie verbrauchende Elektro- oder Permanentmagnete ersetzen, die die Lautsprechermembranen bewegen und etwa im niederfrequenten Bereich satten Bass erzeugen.

„Die Ober- und Unterseite der Folie sind mit einer leitfähigen, hochdehnbaren Elektrodenschicht auf Rußbasis bedruckt“, erklärt Professor Paul Motzki, der bereits als Doktorand in Seeleckes Team forschte. „Legen wir hieran eine elektrische Spannung an, ziehen sich die Elektroden an und stauchen die Folie, die zur Seite ausweicht und dabei ihre Fläche vergrößert“, führt Paul Motzki aus, der mit „Smarte Materialsysteme für innovative Produktion“ heute eine Brückenprofessur zwischen Universität des Saarlandes und Zema inne hat und dort Direktor des Forschungsbereichs „Smarte Materialsysteme“ ist. Bei diesen Kontraktionen, die den Folien auch den Titel künstliche Muskeln eingebracht hat, verändert sich die elektrische Kapazität: Jeder Messwert entspricht einer bestimmten Stellung der Folie. Damit ist die Folie selbst ihr eigener Sensor. Die Forscher können durch eine Abfolge vieler solcher Messwerte mithilfe intelligenter Algorithmen einen Bewegungsablauf programmieren und die Folie entsprechend blitzschnell ansteuern: Verändern die Forscher das elektrische Feld, lassen sie die Folie klopfen oder mit beliebiger Frequenz und Schwingung vibrieren.

Auch die Folie selbst kann zum Lautsprecher werden und Töne erzeugen: sogar viele gleichzeitig, indem die Forscher sie so ansteuern, dass sich mehrere Schwingungsfrequenzen überlagern. „Je nach Anwendung können wir die Folie selbst als Antrieb und gleichzeitig zur Schallerzeugung verwenden. Dadurch werden maximal kompakte Lösungen und ganz neue Bauformen möglich, etwa einige Millimeter flache Systeme“, erklärt Sophie Nalbach, die Forscherin hat im Rahmen ihrer Doktorarbeit bei Professor Seelecke an den smarten Folien gearbeitet und ist inzwischen Bereichsleiterin für Smarte Materialsysteme am Zema. Die Folie setzt dabei zwar nicht genug Luft in Bewegung, um an die Performance derzeitiger Lautsprechertechnik heranzureichen. Als Signalgeber etwa in Textilien, die zum Beispiel bestimmte Warntöne erzeugen, sind sie jedoch durchaus einsetzbar.

Hintergrund:
An dieser Technologie wurde im Rahmen mehrerer Doktorarbeiten geforscht. Sie ist Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen in Fachzeitschriften und wurde im Rahmen mehrerer Forschungsprojekte gefördert: So förderte etwa die saarländische Landesregierung die Forschung im Rahmen des Projektes BEAT mit der saarländischen Firma Stamer Musikanlagen, sowie im Rahmen des EFRE Projekts iSMAT. Auch die EU förderte die Arbeiten im Rahmen eines Marie-Curie Research Fellowships.
Seeleckes Team arbeitet in zahlreichen Forschungsprojekten und weiteren Doktorarbeiten daran, ihre Folien-Antriebe für verschiedene Anwendungen weiterzuentwickeln und auch zu vernetzen, so dass sie wie ein Schwarm untereinander kommunizieren und kooperieren können. Hierzu wollen sie die Technik weiter miniaturisieren, um Oberflächen mit neuen Fähigkeiten auszustatten.

Die Ergebnisse der anwendungsorientierten Forschung wollen die Forscher in die Industriepraxis bringen, hierzu haben sie aus dem Lehrstuhl heraus die Firma mateligent GmbH gegründet.

Fragen beantwortet:
Prof. Dr. Stefan Seelecke, Lehrstuhl für intelligente Materialsysteme:
+49 (681) 302-71341; stefan.seelecke@imsl.uni-saarland.de
Prof. Dr. Paul Motzki, Professur Smarte Materialsysteme für innovative Produktion:
+49 (681) 85787-545; E-Mail: paul.motzki@uni-saarland.de
Sophie Nalbach, M.Sc., Bereichsleiterin Smarte Materialsysteme, Zema
+49 (681) 85787 – 910; sophie.nalbach@imsl.uni-saarland.de

Weitere Informationen:
https://imsl.de/projekte - Videos zu den Projekten des Lehrstuhls für intelligente Materialsysteme
https://imsl.de - Lehrstuhl für intelligente Materialsysteme
https://mateligent.de - Spin off mateligent GmbH
https://zema.de - Am Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (Zema) in Saarbrücken arbeiten Universität des Saarlandes, Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htwsaar) und Industriepartner zusammen.

English Version:

Smart films help to make loudspeakers lighter and more energy-efficient

Professors Stefan Seelecke and Paul Motzki at Saarland University are developing intelligent materials that are opening up new avenues in sound reproduction technology: lightweight loudspeakers that use far less energy than their conventional counterparts, novel shapes for sound and signal generators and applications involving noise cancelling textiles. The basis for these smart materials are ultrathin silicone films that can act as artificial muscles with their own built-in sensors. The research team will be showcasing their new technology at this year’s Hannover Messe from 17 to 21 April (Hall 2, Stand B34).

Ultrathin films may well replace the heavy and power-thirsty components found in today's loudspeakers – making speaker systems lighter and environmentally more sustainable. And that wouldn't just make life easier for the stage technicians and roadies who have to stack speaker towers in stadiums and concert halls, it could also reduce electricity demand in millions of homes. The magnetic speaker drivers that are typically found in public-address systems and stage speaker setups use a lot of electric power. It's not unusual for power levels to reach hundreds of thousands of watts at large-scale events. But power consumption in domestic surround-sound installations (home music or home cinema systems) is also not inconsiderable. Most of us know how quickly a battery-powered (wireless) speaker needs recharging.

But the new technology being developed by Professor Stefan Seelecke and his research team at the Intelligent Material Systems Lab at Saarland University and at ZeMA (Center for Mechatronics and Automation Technology) in Saarbrücken is markedly more energy-efficient. Their technology does not rely on expensive and difficult-to-source materials; all it needs is a silicone film, some carbon black and a smart control unit. These new film-based drive systems offer the possibility of creating loudspeakers with totally new shapes. 'Our smart material systems made from dielectric elastomers are opening up opportunities to rethink much of what we know in the field of acoustics. These systems could help to make loudspeaker technology more sustainable and to develop it in new directions,' said Professor Stefan Seelecke.

The range of possible applications is very broad. For example, the films could be integrated into wall-mounted textiles to actively cancel ambient noise, or if worn on the body, they could emit acoustic signals. The research team from Saarbrücken are showcasing their technology at this year's Hannover Messe, where they will be looking for commercial and industrial partners with whom they can research and develop the technology for new applications.

The technology is based on thin silicone films coated with an electrically conducting layer to create dielectric elastomers that only require very low levels of electrical power to work. By varying the applied electric field, the researcher team can make the elastomer vibrate at high frequency or execute continuously variable flexing motions. If the elastomeric film is rolled up, it can be used as a new type of speaker driver, replacing the heavy, energy-consuming electromagnets or permanent magnets that drive loudspeaker membranes while still delivering rich bass frequencies.

'A highly flexible carbon black-based electrode layer is printed onto both sides of the silicone film,' explained Professor Paul Motzki, who carried out research in this field as a post-doctoral researcher in Seelecke's team. 'If we apply a voltage to the elastomer, the electrodes attract each other, compressing the polymer and causing it to expand out sideways, thus increasing its surface area,' said Motzki, who now holds a cross-institutional professorship in smart material systems for innovative production at Saarland University and at ZeMA, where he heads the research area 'Smart Material Systems'. Because they contract in this way, the polymer films have also been referred to as artificial muscles. And every time they change shape, so too does the electrical capacitance of the film. Each capacitance value corresponds to a specific position of the film. The film essentially becomes its own sensor. By combining the measurement data with intelligent algorithms, the team can program extremely rapid motion sequences and thus precise control the behaviour of the elastomer film. By altering the applied electric field, the researchers can make the film pulse or make it oscillate or flex at some required frequency.

The film can also be made to generate individual acoustic tones or even multiple tones if several vibrational frequencies are superimposed on one another – turning the elastomeric film into its own loudspeaker. 'Depending on the application, we can use the film as both a drive system and a sound generator at the same time. We can develop technical solutions with novel shapes and designs that are also incredibly compact, just a few millimetres thick,' explained Sophie Nalbach, who worked on smart films as part of her doctoral dissertation work in Professor Seelecke's group and is now a group leader in the 'Smart Material Systems' research area at ZeMA. While the films do not displace enough air to match the performance of today's conventional loudspeakers, they could certainly be incorporated into textiles that would then be able to emit acoustic warning signals.

Background:
The technology discussed here has been studied and developed in several doctoral research projects. The results have been published as papers in a variety of scientific journals. The research work has also received support from numerous sources. For example, the Saarland state government provided financial support through the BEAT project, a collaborative project with the Saarland-based company Stamer GmbH, and through the ERDF (European Regional Development Fund) project iSMAT. EU funding was provided through a Marie Curie research fellowship.
Professor Seelecke's team is currently working on a number of different research projects aimed at developing these film-based drive systems for a range of different applications, including ways to interconnect them so that they can communicate and cooperate collectively. To do this the researchers will need to impart new capabilities to surfaces and interfaces, which in turn requires further miniaturization of the technology.

The company ‘mateligent GmbH’ was spun off from Professor Seelecke's department to facilitate the transfer of the results of their applications-driven research to commercial and industrial applications.
Questions can be addressed to:
Prof. Dr. Stefan Seelecke, Intelligent Material Systems Lab, Saarland University:
+49 681 302-71341; stefan.seelecke@imsl.uni-saarland.de
Prof. Dr. Paul Motzki, Smart Material Systems for Innovative Production,
+49 681 85787-545; Email: paul.motzki@uni-saarland.de
Sophie Nalbach, M.Sc., Head of Smart Materials Systems, Zema
+49 681 85787-910; sophie.nalbach@imsl.uni-saarland.de

Further information:
https://imsl.de – Intelligent Material Systems Lab
https://mateligent.de – mateligent GmbH
https://zema.de/ – Center for Mechatronics and Automation Technology (ZeMA) in Saarbrücken (a research hub for collaborative projects involving researchers from Saarland University, Saarland University of Applied Sciences (htw saar) and industrial partners.
 

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