16.01.2023

Zuckerbasierte Hemmstoffe entwaffnen den Erreger Pseudomonas aeruginosa

Elektronenmikroskopische Aufnahme
© Francesca Rosato, Dorina Reith/University of FreiburgLecA (grün) bindet an die Oberfläche von Wirtszellen (links). Bei Zugabe eines der neu entwickelten Inhibitoren (rechts) wird das Binden von LecA verhindert (Maßstabsbalken = 10 μm).

Der Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa benötigt die zuckerbindenden Proteine LecA und LecB, um Biofilme zu bilden und sich an Wirtszellen anzuheften und diese zu durchdringen. Diese sogenannten Lektine sind daher geeignete Angriffspunkte für Wirkstoffe zur Bekämpfung von Pseudomonas-Infektionen.

Forscherinnen und Forscher aus Saarbrücken und Freiburg haben nun potente Inhibitoren für LecA und LecB hergestellt, die stabiler und besser löslich sind als bisherige Wirkstoffkandidaten. Diese optimierten Moleküle wurden in Virulenztests untersucht und zeigen vielversprechende Eigenschaften für die Entwicklung neuer Wirkstoffe. 

Pseudomonas aeruginosa ist ein gramnegatives Bakterium, das zur Gruppe der hochantibiotikaresistenten und klinisch relevanten ESKAPE-Erreger gehört. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist es einer der kritischen prioritären Krankheitserreger, da es oft resistent gegen Antibiotika ist und keine Behandlungsmöglichkeiten hat. P. aeruginosa produziert zwei Lektine, LecA und LecB, die es verwendet, um an Zuckermoleküle zu binden. Es benötigt sie für die Adhäsion an Wirtszellen und für die Biofilmbildung – zwei Eigenschaften, die für die Pathogenität des Bakteriums entscheidend sind. Dies macht diese Lektine zu vielversprechenden Zielen für synthetische Wirkstoffe, die den krankheitserregenden Eigenschaften des Bakteriums entgegenwirken und seine antimikrobielle Resistenz umgehen.

Die Arbeitsgruppe von Prof. Alexander Titz am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) und der Universität des Saarlandes untersucht Moleküle zur Hemmung bakterieller Lektine, insbesondere von P. aeruginosa. Das HIPS ist ein Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes. Die Gruppe, die auch Teil des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) ist, hatte bereits hochwirksame LecA-Hemmer entwickelt, die jedoch eine geringe Wasserlöslichkeit und eine begrenzte Stabilität aufwiesen, was ihre weitere biologische Analyse verhinderte. 

Die aktuellen Ergebnisse stammen aus einem gemeinsamen Forschungsprojekt mit der Gruppe von Prof. Winfried Römer an der Universität Freiburg und dem Exzellenzcluster CIBSS - Centre for Integrative Biological Signalling Studies. Römer und sein Team untersuchen, wie die Lektine LecA und LecB von P. aeruginosa physiologische Prozesse wie Immunantwort und Wundheilung beeinflussen und wie dies durch Hemmstoffe verhindert werden kann.

Den Forscherinnen und Forschern ist es nun gelungen, die chemischen Eigenschaften bisheriger Lektin-Inhibitoren deutlich zu verbessern. Die gezielte Veränderung von Verbindungsregionen innerhalb der Moleküle steigerte deren Löslichkeit um den Faktor 1000 und erhöhte ihre chemische und metabolische Stabilität. Die Ergebnisse des Verbundprojekts wurden als „Hot Paper“ in der renommierten Fachzeitschrift Angewandte Chemie veröffentlicht.

Die stark erhöhte Löslichkeit der Lektin-Inhibitoren ermöglichte es, ihre biologische Wirkung in zellbasierten Assays zu bewerten. „Wir haben den Einfluss der Inhibitoren auf die biologische Funktion von LecA und die Invasivität von P. aeruginosa untersucht“, erklärt Römer. „Wir konnten zeigen, dass bereits relativ geringe Konzentrationen des LecA-Inhibitors ausreichen, um zu verhindern, dass P. aeruginosa in Wirtszellen eindringt.“ Somit blockieren die Inhibitoren effektiv die Bindung von LecA an menschliche Zellen. „Zusätzlich zu diesen positiven Ergebnissen in den Zelltests haben wir auch gesehen, dass der neue Inhibitor lange Zeit im Urin nachgewiesen werden kann, was möglicherweise weitere Behandlungsmöglichkeiten für Harnwegsinfektionen eröffnet“, sagte Titz, Leiter der Forschungsgruppe Chemische Biologie von Kohlenhydraten am HIPS.

Diese Ergebnisse zeigen, dass die entwickelten Medikamentenkandidaten das Potenzial haben, Antibiotikaresistenzen gefährlicher Krankheitserreger zu umgehen. Insbesondere die Hemmung der LecA-vermittelten Virulenz bietet einen vielversprechenden Ansatzpunkt für neue Wirkstoffe zur Behandlung oft hochproblematischer Infektionen mit P. aeruginosa. Die aktuellen Ergebnisse sind ein erster Schritt und öffnen die Tür für die zukünftige Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten. 

Originalpublikation:
Zahorska, E., Rosato, F., Stober, K., Kuhaudomlarp, S., Meiers, J., Hauck, D., Reith, D., Gillon, E., Rox, K., Imberty, A., Römer, W.,* Titz, A.* (2022) Neutralizing the Impact of the Virulence Factor LecA from Pseudomonas aeruginosa on Human Cells with New Glycomimetic Inhibitors, Angew. Chem. Int. Ed. Engl., doi: 10.1002/anie.202215535. 
Link zur deutschen Version: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/ange.202215535

Alexander Titz ist Professor für Organische und Pharmazeutische Chemie and der Universität des Saarlandes in Saarbrücken und Arbeitsgruppenleiter am HIPS. Seine Forschungsschwerpunkte sind die medizinalchemische Entwicklung neuer Antiinfektiva und Diagnostika, sowie die biochemische und mikrobiologische Charakterisierung bakterieller Lektine bei Infektionen.

Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Alexander Titz
Helmholtz Institute for Pharmaceutical Research Saarland (HIPS), Chemical Biology of Carbohydrates, Saarland University, Department of Chemistry
+49-681 98806 2500
alexander.titz@helmholtz-hips.de