Zur Einführung: Grenze in Wissenschaft und Unterricht

Bärbel Kuhn

 

Zur Einführung: Grenze in Wissenschaft und Unterricht

 

Erstaunlicherweise und anders als in der französischen und amerikanischen Forschung hat sich die deutsche Geschichtsforschung dem Thema ‚Grenze‘ erst dann ernsthaft und mit differenzierten Fragestellungen zugewandt, als die innerdeutsche Grenze verschwand. Differenzierte Fragestellungen bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Grenzen nicht mehr bloß als Ergebnisse von Völkerwanderungen, Eroberungen, Kriegen und Friedensschlüssen wahrgenommen werden (Rauh-Kühne 2001: 159) oder als Folgen von Mächte-Auseinandersetzungen und Einigungen in Form von „Tausch, Teilung, Länderschacher“, wie Karl Otmar Freiherr von Aretin die Territorialpolitik im Rahmen der europäischen Gleichgewichtsbemühungen zusammengefasst hat (von Aretin 1982). Ein solches Grenzverständnis fand bereits in den 1930er Jahren der Gründer der Annales-Schule Lucien Febvre befremdlich. Er schrieb: „Man nimmt eine Landkarte und zieht darauf einige Linien aus Kreuzen oder Punkten; daneben schreibt man einige Namen von Verträgen, die den zufälligen Erfolg oder Misserfolg einer Schlacht sanktioniert haben und erklärt: das ist die Geschichte“ (Febvre 1988a: 170 f., 1988b). Neuere Forschungen zeigen, dass ein enger, an ein staatliches Territorium gebundener Grenzbegriff ebenso problematisch ist wie eine an naturräumlichen Gegebenheiten orientierte Vorstellung von Grenze (Foucher 1986, Febvre 1988b, Bergier 1989, Foucher 1991, Nordmann 1997, Hartmann 2000). Vielmehr müssen symbolisch-kulturelle und soziale Aspekte von Grenze, von Grenzbildung, von Grenzziehung und Grenzüberschreitung verstärkt in den Blick genommen werden.

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