16.06.2023

Kollege Roboter? Studie untersucht Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine

Portrait von Eric Grosse
© Thorsten MohrJun.-Prof. Dr. Eric Grosse

Automatisierung und Künstliche Intelligenz spielen auch in Logistik und Lagerhaltung eine zentrale Rolle. Immer mehr Roboter kommen in Lagerhäusern zum Einsatz, um Waren zu transportieren oder Lagerbestände zu überwachen. Nach wie vor dabei: der Mensch. Doch was ist wichtig für eine gute Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter? Das hat eine Meta-Studie von Wirtschaftswissenschaftlern und Psychologen der Universität des Saarlandes gezeigt, die jüngst publiziert wurde.

Sie ist in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Computers & Industrial Engineering“ erschienen.  

Es gibt wohl kaum ein großes Unternehmen, durch dessen Lagerhäuser nicht irgendwo irgendein Roboter flitzt und Waren ins Regal stellt oder sie herausnimmt. In anderen Hallen fliegen Drohnen in schwindelerregende Höhen, um aus der Vogelperspektive die obersten Regalreihen zu inspizieren, die von einem Menschen nur schwer zu erreichen sind. Die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Robotern, englisch „Human-robot collaboration“ (HRC), wird in Zukunft noch viel bedeutsamer werden: Machten Logistik-Roboter im Jahr 2017 gerade mal knapp 4 Prozent des gesamten weltweiten Robotik-Markts aus, gehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon aus, dass der Anteil der fleißigen Helfer in den Lagerhäusern dieser Welt bis 2025 auf stolze 32 Prozent am Gesamtmarkt steigen wird. Immer schneller müssen Waren heute, oft auf individuellen Wunsch zusammengestellt, von der Fabrik an ihr Lieferziel gelangen. Diese Anforderung sorgt in der Logistik für gewaltige Umwälzungen, die nur mithilfe von Robotern in den Griff zu kriegen sind.

Die Aussichten auf die rasante Bedeutungszunahme der Roboter in der Logistik waren für die Wirtschaftswissenschaftler Eric Grosse, Stefan Morana, Frederic Jacob und ihren Kollegen Cornelius König aus der Psychologie der Grund, die Beziehungen zwischen Mensch und Maschine genauer unter die Lupe zu nehmen. Die vier Forscher haben in einer Meta-Studie die Literatur zum Thema HRC in der Lagerhaltung gesichtet und untersucht, welche Aspekte den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die dieses Gebiet untersuchen, besonders wichtig sind. „Roboter sind heute schon mehr ‚mechanische Kollegen‘ statt technisches Hilfsmittel“, heißt es in der Studie. Aber was genau erwartet die Wissenschaft, aus der stetig neue Impulse für die Wirtschaft kommen, von Robotern und Menschen?

„Es hat sich, wenig überraschend, gezeigt, dass der Großteil der Studien sich darum drehte, wie die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine in der Intralogistik zu einer gesteigerten Leistungsfähigkeit führen kann“, fasst Eric Grosse, Juniorprofessor für Digitale Transformation im Operations Management an der Universität des Saarlandes, eine wichtige Erkenntnis zusammen.

Neben der reinen Leistungssteigerung spielen aber auch „weiche“ Einflüsse eine Rolle. Auch solche psychosoziale Faktoren sind sehr wichtig, es gibt aber eine weniger große Zahl Studien darüber. „Die Menschen, die mit den Robotern zusammenarbeiten sollen, fürchten Über- oder Unterforderung, Stress, mangelnde Partizipation, Demotivation, Angst und so weiter. Das kann die Akzeptanz der Zusammenarbeit erheblich beeinflussen“, so der Wirtschaftswissenschaftler weiter.

Ein weiterer Punkt, der in den Studien immer wieder zum Ausdruck kam, war die – gefühlte – Sicherheit der Logistik-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Denn wer mit einem vollautomatischen, mehrere Hundert Kilo schweren Roboter durch die Gänge der Lagerhäuser streift, hat womöglich Angst davor, dass der Roboter einen Fehler machen und jemanden verletzen könnte. „Ein großer Teil der Arbeitnehmer hat auch ganz allgemein Vorurteile gegenüber Robotern und steht Veränderungsprozessen kritisch gegenüber“, fasst Eric Grosse ein wiederkehrendes Ergebnis der Studien zusammen. „Persönliche Präferenzen, Organisations- und Führungskultur im Unternehmen, Qualifikationen der Mitarbeiter, die Teamstruktur und die Angst vor Arbeitsplatzverlust spielen hierbei ebenfalls ganz zentrale Rollen“, führt er aus.

Sein Rat und der seiner Mitautoren an die Entscheidungsträger in den Unternehmen lautet daher: „Managerinnen und Manager sollten die Planung, Implementierung und Koordination von ‚Cobots‘ in Lagern ganzheitlich betrachten. Neben den Leistungs- und Kostenfaktoren müssen menschliche Faktoren berücksichtigt werden. Denn bei der Einführung von Cobots sind die Akzeptanz der Technologie und die menschliche Interaktion entscheidend für den Erfolg.“

Der Artikel Picking with a robot colleague: A systematic literature review and evaluation of technology acceptance in human–robot collaborative warehouses ist in der Juni-Ausgabe des Fachmagazins Computers & Industrial Engineering erschienen: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0360835223002863

Weitere Informationen:
Jun.-Prof. Dr. Eric Grosse
Tel.: (0681) 3024830
E-Mail: eric.grosse(at)uni-saarland.de