(Keine) Immunsuppression durch intensive sportliche Aktivität

(Keine) Immunsuppression durch sportliche Aktivität

Chiu YH1, Hou SK, How CK, Li LH, Kao WF, Yang CC, Chou SL, Shiau YT, Lam C, Chen RJ. Influence of a 100-km ultra-marathon on hepatitis B carrier runners. Int J Sports Med. 2013;34(9):841-845.

doi: 10.1055/s-0032-1331769. Epub: 26. Februar 2013

 

This study compares the serological markers between runners who are hepatitis B virus carries (HBVc) and runners who are non-HBVc in a 100-km ultra-marathon race. Blood samples of 8 HBVc and 18 non-HBVc runners were drawn 1 week before, immediately following, and 24 h after the race. Samples were analyzed and compared between the 2 groups for liver function tests, muscle damage markers and oxidative stress cytokines. For HBVc runners, HBV-DNA (hepatitis B virus-deoxyribonucleic acid) levels were also evaluated for virus reactivation. The results demonstrate a statistically significant increase in both immediate and 24-h post-race values for alanine aminotransferase (ALT), aspartate aminotransferase (AST), lactate dehydrogenase (LDH), creatine kinase (CK), high-sensitivity C-reactive protein (hs-CRP), interleukin-6 (IL-6) and tumor necrosis factor-alpha (TNF-α), compared with pre-race values. No statistically significant difference was observed between the 2 groups for the values of AST, LDH, CK, hs-CRP, IL-6 and TNF-α either before or after the race. There was also no statistically significant change in the levels of HBV-DNA in HBVc runners. These findings suggest that HBVc runners do not have higher risks of liver function impairment, muscle breakdown and inflammatory response compared to non-HBVc runners in such endurance races.

 

Bewertung

 

Viele Untersuchungen zu Auswirkungen sportlicher Aktivität auf das Immunsystem verwenden als Zielparameter interpretationsfähige Messungen von humoralen oder zellulären Immunparametern aus dem peripheren Blut. Für diese kann oft nicht ohne Weiteres entschieden werden, ob ihre Veränderung eine Schwächung (oder gar Stärkung) der Abwehr anzeigt oder eher darauf hinweist, dass das Immunsystem gerade „aktiv“ ist (z. B. an anderen Orten als im peripheren Blut). Auch der gewählte sportliche Stimulus ist gelegentlich nicht intensiv oder umfangreich genug, um Relevanz auch für Aussagen im Leistungssport zu erhalten.

 

In der vorliegenden Studie aus Taiwan sind beide Aspekte in interessanter Weise berücksichtigt. Einerseits kann bei einer elfstündigen Dauerbelastung durchaus angenommen werden, dass die sportliche Beanspruchung ausreichend für immunologische Effekte ist, auch wenn nur eine Belastungskomponente (Langzeitausdauer) angesprochen wird. Andererseits ist die Veränderung der Hepatitis B-spezifischen DNA bei Virusträgern ein relevanter Indikator für die reale Funktion des Immunsystems, das quasi als „Wächter“ der Hepatitis-Aktivität fungiert. Allerdings stellen die n = 8 Hepatitis B-infizierten Läufer zwar eine selten in dieser Weise untersuchte, aber natürlich auch nicht problemlos mit Leistungssportlern vergleichbare Gruppe dar.

 

Es stellt sich heraus, dass der 100 km-Lauf zu keiner gerichteten Veränderung der Viruslast führt. Das gilt sowohl für die Mittelwerte als auch bei Betrachtung der Einzelverläufe, insbesondere wenn man die typische testimmanente Schwankungsbreite von etwa 0,5 log berücksichtigt. Auch wenn die Läufer nicht über hohe Ausgangsviruslasten verfügten (in zwei Fällen sogar niedriger als die Nachweisgrenze), wäre bei allen Individuen zumindest ein Anstieg denkbar gewesen. Insofern stellt diese ungewöhnliche Untersuchung eher ein Argument gegen die klinische Relevanz akuter sportinduzierter Auslenkungen des Immunsystems dar. Natürlich schränkt die geringe Zahl der untersuchten Personen sowie die auf 24 Stunden begrenzte Nachbeobachtungszeit die Aussagekraft ein, aber die Rekrutierung einer Population Hepatitis B-positiver Läufer für einen 100 km-Lauf auf der Stadionrunde (!) dürfte auch nicht einfach sein. Insofern ein spannender Versuchsansatz, der manche Spekulation über sportinduzierte kompromittierte Immunität relativiert.