Respiratorische Infekte im Leistungssport: Internationale Flugreisen und Wettkampfphasen in den Wintermonaten als größte Risikofaktoren

Respiratorische Infekte im Leistungssport: Internationale Flugreisen und Wettkampfphasen in den Wintermonaten als größte Risikofaktoren

Svendsen IS, Taylor IM, Tønnessen E, Bahr R, Gleeson M: Training-related and competition-related risk factors for respiratory tract and gastrointestinal infections in elite cross-country skiers. Br J Sports Med 50 (13), 2016: 809-815.
Abstract:
Aim To examine symptoms indicative of respiratory tract and gastrointestinal infections and determine risk factors for such symptoms in elite cross-country skiers.
Methods Self-reported training and symptom data for 37 elite cross-country skiers from 2007 to 2015 were analysed using multilevel logistic regression equations with symptom incidence and duration as outcome variables, and sex, performance level, season, competition, air travel, altitude exposure and training characteristics as independent variables.
Results Data for 7016 person-weeks were analysed, including 464 self-reported infection events and 110,959 h of training. Athletes reported median (range) 3 (1–7) respiratory tract and/or gastrointestinal events per year, with symptoms lasting 5 (1–24) days. During the winter, symptoms occurred more frequently (OR 2.09, p<0.001) and lasted longer (p<0.001) compared with summer. Competition and air travel increased the risk of symptoms, with ORs of 2.93 (95% CI 2.24 to 3.83) and 4.94 (95% CI 3.74 to 6.53), respectively (p<0.001). Athletes with higher training monotony had lower risk of symptoms (OR 0.87 (95% CI 0.73 to 0.99), p<0.05). Other training variables were not associated with symptoms. Athletes who had won an Olympic/World Championship medal reported shorter symptom duration compared with less successful athletes (p<0.05) resulting in significantly fewer symptomatic days/year (14 (6–29) vs 22 (8–43) days/year).
Conclusions Air travel and competition are major risk factors for acute respiratory tract and gastrointestinal symptoms in this population. Athletes who have large fluctuations in training load experience such symptoms more frequently. Shorter duration of symptoms appears to be associated with success in cross-country skiing.
Bewertung:
In der Allgemeinbevölkerung treten bei jedem Erwachsenen pro Jahr durchschnittlich 2 bis 4 Infektionen der oberen Atemwege auf. Bisherige Studien zur Inzidenz von Atemwegsinfektionen bei Profisportlern registrierten Häufigkeitsgipfel in Phasen hoher Wettkampf- und Trainingsbelastung, insbesondere in den Wintermonaten. Zumindest diese Studie zeigt offenbar keinen prinzipiellen Unterschied in der Infekthäufigkeit, insofern keine generelle Anfälligkeit von Leistungssportlern. Daher ist anzunehmen, dass es eher verschiedene leistungssportimmanente Konstellationen sind, die zu einer - vorübergehenden - Infektanfälligkeit führen.
In dieser Studie waren bei ähnlicher Belastungsintensität die Medaillengewinner bei Olympia oder Weltmeisterschaften von weniger infektbedingten Krankheitstagen betroffen als die Athleten ohne Medaillengewinn. In Einklang mit vorherigen Ergebnissen deutet diese Beobachtung darauf hin, dass ein stärkeres Immunsystem mit der Fähigkeit zur schnelleren Genesung nach einer Infektion – vor allem in Phasen großer physischer und psychischer Belastung – als Prädiktor für Erfolg in einer ansonsten homogenen Gruppe von Elitesportlern anzusehen ist. Der genaue Zusammenhang und die Ursachen zwischen Erfolg und Immunsystem sind jedoch bislang nicht abschließend geklärt – z.B. die Frage, ob ein erfolgreicherer Sportler ein stärkeres Immunsystem entwickelt oder aber ein stärkeres Immunsystem einen Sportler erfolgreicher macht (weil er z.B. in den entscheidenden Wettkämpfen weniger durch Krankheiten geschwächt wird).
In der retrospektiven Kohortenstudie von Svendsen et al. wurden die Infektionen (den Respirations- und Gastrointestinaltrakt betreffend) von  insgesamt 39 Athleten aus der norwegischen Skilanglauf-Nationalmannschaft über einen Zeitraum von insgesamt 8 Jahren erfasst  und ausgewertet. Als Grundlage für die spätere Entwicklung von Präventionsmaßnahmen sollte dabei primär eine Erfassung der Infektionsproblematik inklusive Identifikation möglicher Risikofaktoren erfolgen. Zeitgleich lag ein Augenmerk auf einem möglichen Zusammenhang zwischen sportlichen Erfolgen und Erkrankungshäufigkeit.     
Da eine Häufung der Infekte ähnlich einer Studie mit Leistungsschwimmern (gelten konträr zu den Langläufern aufgrund ihrer Saisonplanung als Sommersportler) in den Wintermonaten beobachtet wurde, scheint das Infektionsrisiko stärker durch die Jahreszeit als die Trainingsphase/-intensität beeinflusst zu werden. Als größter einzelner Risikofaktor für das Auftreten von Infekten wurden in dieser Studie Flugreisen identifiziert (bei internationalen Flugreisen stieg die Infektionsgefahr bis auf das 4,9-fache). Erklären lässt sich dieses Phänomen durch den Reisestress mit begleitendem Schlafmangel, nicht geregelter Ernährung am Reisetag, Zeitzonenwechsel/Jetlag sowie die ausgeprägte räumliche Nähe zu potentiell infektiösen Mitreisenden. Zudem sehen die Autoren als weitere Ursache für die gesteigerte Infektionsgefahr bei Flugreisen die Austrocknung der Mund- und Nasenschleimhaut an – ein Risikofaktor, der im Reisealltag jedoch durch die entsprechende Klimatisierung im Flugzeug weitgehend ausgeschlossen sein sollte. Da Flüge in der Regel mit der Reise über eine größere Distanz einhergehen, werden die Sportler nach ihrer Ankunft am Zielort oft mit neuen Infektionserregern konfrontiert, gegen die ihr Immunsystem noch keine Antikörper ausgebildet hat. Darüber hinaus ist mit Flugreisen oft ein Umgebungswechsel mit entsprechender klimatischer Veränderung verbunden.
Möglicherweise aufgrund einer passageren, meist einige Stunden andauernden, Schwächung des Immunsystems nach einer intensiven sowie extensiven körperlichen Belastung ist auch das Infektionsrisiko im unmittelbaren Anschluss an einen Wettkampf (im sogenannten „open window“) erhöht – in dieser Studie um das 2,9-fache. Kumuliert mit dem erhöhten Risiko durch Flugreisen wurde daher insbesondere eine Häufung der Atemwegsinfektionen registriert, wenn der Rückflug noch am Tag des Wettkampfes vollzogen wurde.   
Schlussfolgerungen dieser Studie/Maßnahmen zur Prävention von Infektionen der oberen Atemwege:
•    Vermeidung übermäßiger Fluktuationen in der täglichen Trainingsbelastung
•    im Vorfeld wichtiger Wettkämpfe Reduktion exzessiver Belastungen
•    erhöhtes Risiko für Infekte während der Wintermonate berücksichtigen
•    nach intensiven Belastungen / Wettkämpfen „open window“ beachten  
•    Optimierung von Flugreisen
o    unnötige Flüge bzw. Umsteigen vermeiden, insbesondere vor wichtigen Wettkämpfen
o    Rückflugplanung nicht im unmittelbaren Anschluss an den Wettkampf, erst nach Abschluss der ersten Erholungsphase des Sportlers
o    bei kurzen Reisen ggf. Anreise per Auto vorziehen

Abschließende Empfehlung:
Im Leistungssport aktive Personen sollten sich der Phasen erhöhter Infektionsanfälligkeit (Wintermonate, Phasen der Wettkämpfe und Reisen, Wechsel der Trainingsintensität) bewusst sein. In solchen Perioden sollten insbesondere effektive Hygienemaßnahmen, adäquate Regenerationsphasen (Erholung/Schlaf) und eine Optimierung des Flüssigkeits-/Elektrolythaushaltes angestrebt werden.