I. Wahrnehmung der Vorkriegszeit aus Sicht der konservativen katholischen Eliten

„Aufwecker aus dem Tangorausch der letzten Friedensjahre“[1]

Das Ausmaß der sich bereits seit der Balkankrise immer mehr zuspitzenden politischen Lage wurde von den Eliten der katholischen Kirche vor der Julikrise 1914 nicht wahrgenommen. Viel zu immens war die durch die Auseinandersetzung mit dem Kulturkampf  und dem Gewerkschaftsstreit  hervorgerufene eigene Identitätskrise. Dementsprechend wurde sich im Katholiken des Frühjahres 1914 im Artikel „Kirchliche Zeitfragen“ hauptsächlich mit den Beschlüssen der Fuldaer Bischofskonferenz auseinandergesetzt. Angeprangert wurden Themen wie die „sexuelle Aufklärung“, die „Entartung der Kleidermode“ und das „Kino-Unwesen“, welche symbolhaft für den stärker werdenden Trend zur Säkularisierung standen und welcher sich zunehmend in den steigenden Kirchenaustritten und der sinkenden Zahl von Gottesdienstbesuchen manifestierte.[2] Selbiges gilt für die Historisch-politischen Blätter zu konstatieren, da auch in ihren Artikeln der Hefte 153 und 154 bis zum 29. Juli 1914 keine Rede von einer politischen Krise zu finden ist; stattdessen bestätigen Artikel wie „Onno Klopps Frage: Wird Deutschland wieder katholisch werden?“ die These von der im Vordergrund stehenden Auseinandersetzung mit der eigenen Identität und dem Bedeutungsverlust der (katholischen) Religiosität im Kaiserreich.[3]

[1] Michael von Faulhaber, zit. n.: Rainer Möhler: „Ihr kämpft für uns, wir beten für Euch!“. Die evangelische und katholische Kirche im Saarrevier und der Erste Weltkrieg, in: „Als der Krieg über uns gekommen war…“. Die Saarregion im Ersten Weltkrieg, hg. v. Stadtverband Saarbrücken Regionalgeschichtliches Museum, Merzig 1993, S. 55.

[2] O. A.: Kirchliche Zeitfragen, in: Der Katholik 3 (1914), S. 222f.

[3] O. A.: Onno Klopps Frage: Wird Deutschland wieder katholisch werden?, in: Historisch-politische Blätter 153 (1914), S. 367-386.