Folgenreiche Niederlage

Fürstenbergs Wahlniederlage im Jahr 1780 gegen Maximilian Franz, die zur Folge hatte, dass er sein Ministeramt und damit seine politische Funktion verlor, führte dazu, dass er nun weniger den politischen als vielmehr den gesellschaftlichen Sektor beeinflusste.23 Dies wirkte sich auch auf den Kreis von Münster aus: Denn „die Fürstin Gallitzin stellte nicht nur das in der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts so wesentliche wie einflußreiche weibliche Element dar, dem ‚Kreis von Münster‘ sicherte sie im wesentlichen sogar seinen Fortbestand, als Fürstenberg durch seine Entlassung aus dem Ministeramt ein gut Teil seines persönlichen Einflusses und der politischen Macht verlor“24. Fürstenberg litt schwer an der Niederlage, trotz dass er Generalvikar und Leiter der Schulaufsicht blieb, weil es für ihn lange Zeit selbstverständlich war, unangefochten an der Spitze zu stehen und großen Einfluss zu haben.
Fortan bildeten Fürstenberg und Gallitzin die beiden Grundpfeiler des Münsteraner Kreises, indem Unternehmungen und Reisen gemeinsam absolviert und beispielweise bei Problemen gemeinsam nach einer Lösung gesucht wurde.25
Schon früh, nachdem klar war, dass die Fürstin länger in Münster bleiben würde als geplant, wies Fürstenberg sie auf eine gewisse „religiöse Problematik“ hin, die sich darin äußert, dass sie nicht in seiner Nähe leben könne, „ohne daß sie sich ernsthaft und intensiv um die katholische Religion bemühte“26. Im Laufe der Jahre kam die Fürstin mit vielen Persönlichkeiten in Kontakt, so auch mit Bernhard Overberg, der Weltpriester war. Er gab neben Fürstenberg den entscheidenden Ausschlag, dass die Fürstin von Gallitzin zum katholisch-kirchlichen Leben zurückkehrte und letztendlich auch im Sommer 1786 konvertierte.27 Nicht nur Overberg beeinflusste die Fürstin in ihrem Denken und Handeln, auch der Austausch mit Friedrich Heinrich Jacobi, dem Philosophen Johann Georg Hamann oder die Begegnung mit Johann Wolfgang von Goethe in Weimar wirkten lange bei der Fürstin nach.
Allgemein besaß der Kreis von Münster, der sich immer mehr auch um die Fürstin versammelt hatte, großen Einfluss. Er „prägte maßgeblich das literarische Klima Münsters und seiner Umgebung Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts“28. Zudem war er in seiner späteren Phase von einer „tiefer, religiösen Innerlichkeit geprägt, die bezeichnend wurde für die deutsche Frühromantik“29. Ein weiteres Kennzeichen, das den Münsteraner Kreis in dieser Zeit ausmachte, war die vermehrte Zahl an Konversionen zum Katholizismus.
Dies wird auch auf Abbildung 3 deutlich. Darauf zu sehen ist „Die Fürstin im Kreis ihrer Freunde“30, wie es der Titel des Gemäldes on Theobald von Oer deutlich macht. Deutlich erkennbar ist in der Mitte die Fürstin selbst, die dem Grafen Leopold zu Stolberg die Hand reicht, der eben jenes Kennzeichen verkörpert, indem er zum Katholizismus konvertiert ist. Des Weiteren ist der bereits erwähnte Bernhard Overberg, der großen Einfluss auf die Fürstin selbst hatte, rechts hinter der Fürstin zu sehen, sowie die Kinder der Fürstin selbst. Während die Tochter Marianne hingegen im Vordergrund zu sehen ist und mit dem Rücken zum Betrachter steht, ist der Sohn der Fürstin im Hintergrund zu erkennen, wo er an einem Kreuz eine betende Haltung einnimmt.31 Viele ihrer Wegbegleiter zählen zum Münsteraner Kreis, so auch ihr langjähriger Lehrer Hemsterhuis oder auch der Philosoph Hamann. Der Kreis unterlag in den folgenden Jahren wie auch die Gesellschaft einem Wandel, „sodass sich das gesellschaftliche Leben so stark verändert“ hat, „daß sich auch die persönlichen Beziehungen in den neunziger Jahren entscheidend verändert haben“32. Die Fürstin selbst starb am 27. April im Jahr 1806 in Münster als prägende Figur für viele Menschen, die sie auf ihrem Weg begleitet haben.33 So war Overberg beispielsweise bis zu ihrem Tod stets bei ihr.

23 Sudhof, Von der Aufklärung zur Romantik, S.123.
24 Ebd., S.144.
25 Ebd., S.146.
26 Ebd., S.139.
27 Ebd., S.163.
28 www.gallitzin-stiftung.de [eingesehen am 28.10.2020].
29 Ebd.
30 www.gallitzin-stiftung.de/kreis/ [eingesehen am 28.10.2020].
31 Ebd.
32 Sudhof, Von der Aufklärung zur Romantik, S.206.
33 Köhler, Amalie von Gallitzin, S.242.