Die Entstehung
Vorgeschichte
Die erste und zugleich „Probeausgabe“ des „pilgers“ erschien am Neujahrstag des Revolutionsjahres 1848. Die Gründung der Zeitung für das Bistum Speyer ist vor allen Dingen zwei Männern zu verdanken: Bischof Nikolaus von Weis und Domvikar Franz Hällmeyer. Weis selbst war bereits presseerfahren, da er schon als 25-jähriger Priester Mitbegründer der Zeitschrift „Der Katholik“ war, in der er sich besonders „gegen den Aufklärungswahn und das Staatskirchentum“ einsetzte. Diese Zeitschrift sprach allerdings nur den Klerus und eine kleine Zahl gebildeter Katholiken an. Weis erkannte recht schnell die Notwendigkeit einer Bistumszeitung, konnte wegen seiner
Aufgabenfülle im armen Grenzbistum eine Zeitungsgründung allerdings nicht selbst vorantreiben. Deshalb wurde der erst 34-jährige Franz Hällmeyer zum eigentlichen Gründer des „Christlichen Pilgers“. Bereits ab 1846 warb Hällmeyer bei der Bistumsleitung für eine „Kirchenzeitung für das Volk“, womit er bei Bischof Weis auf offene Ohren stieß. Die Bistumsführung selbst legte große Hoffnung in die einigende Wirkung des neuen Bistumsblattes. Im Zuge der französischen Revolution war das alte Bistum Speyer, welches eher rechtsrheinisch orientiert war, zerfallen. 1817/21 kam es zur Neugründung des Bistums aus Teilen der Bistümer Mainz, Metz, Straßburg und Trier. Dreißig Jahre später verfolgte Bischof Weis nun den Plan, seine geteilte Diözese endlich zu einer „Bistumsfamilie“ zusammenwachsen zu lassen. Hällmeyers Absichten gingen weit über die einende Wirkung hinaus. Der Domvikar war davon überzeugt, dass Bistumszeitungen der Kirche in ihren Vorhaben dienlich sein könnten. So waren vor allem der Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit, die Abschaffung der Kinderarbeit, bessere Arbeitsbedingungen oder die Sonntagsruhe wichtige Themen des „pilgers“.
Der Name
Der Titel „Der christliche Pilger“ war recht schnell gefunden. Gerade in der Zeit der Spätromantik und auch darüberhinaus war das Pilgermotiv sehr präsent in Musik, Malerei und Lyrik. Bedeutende Dichter wie Joseph von Eichendorff, Clemenes Brentano oder Rainer Maria Rilke machten sich das Motiv des Pilgers zu eigen und deuteten es in Gedicht und Prosa. Dieses Motiv war also allgegenwärtig in der damaligen Zeit und besonders die Katholiken wurden auch in Bezug auf ihren Glauben häufig mit dem Begriff „Pilger“ konfrontiert. Seit dem Mittelalter zogen größere und kleinere Wallfahrtsorte katholische Christen nahezu magnetisch an. Neben den bekannten Wallfahrtsorten wie Jerusalem, Rom, Assisi oder Santiago de Compostela gab es auch viele kleinere Orte, die meist nur in der direkten Umgebung eine Bedeutung hatten. Von diesen gab es im Bistum Speyer ganze 36 und auch die Stadt Speyer selbst ist seit dem Mittelalter Station auf dem europäischen Pilgerweg zum Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela. Gerade die Kennzeichen der Pilgerschaft, Aufbruch und Unterwegssein, spielten für die Ausrichtung der Zeitung eine große Rolle. Mit dem Leitartikel „Des Pilgers Aufbruch“ von Franz Hällmeyer startete die Geschichte der Zeitung und ab der zweiten Ausgabe am 8. Januar wurde die Titelzeile mit einer Zeichnung eines Pilgers versehen. In immer wieder abgewandelten Formen begleiteten solche Pilgerdarstellungen die Speyrer Bistumszeitung jahrzehntelang. Erst mit der letzten Ausgabe des Jahres 1939 verschwand „es Pilgermännel“ von der Titelseite, da die romantischen Darstellungen den Redakteuren zur Zeit der Diktatur und des Krieges nicht mehr zeitgemäß erschienen.
Das Jahr 1848
Der „pilger“ erschien in einer prekären Zeit. Die Industrialisierung und die wirtschaftliche Liberalisierung waren auf dem Vormarsch und damit einhergehend kam es zu einer rasant wachsenden Zahl an Fabrikarbeitern, sozialen Missständen und dadurch verursachten revolutionären Aufbegehren in der Bevölkerung. Es war eine Zeit, die von neuen politischen Strömungen geprägt war, gegenüber denen die Kirche versuchte, ihre Position zu behaupten. So veröffentlichten 1848 Karl Marx und Friedrich Engels das „Kommunistische Manifest“, worauf beispielsweise der Mainzer Bischof Wilhelm Emmanuel von Ketteler seine christliche Soziallehre als Gegenentwurf einbrachte. Außerdem stemmte sich die Kirche vehement gegen die Allmacht des Staates, gegen den vorherrschenden Liberalismus, aber auch gegen die Mächte des Umsturzes, die zwar bürgerliche Freiheit propagierten, allerdings tyrannische Verhältnisse anstrebten. Dieser Kampf gegen die Missstände führte mancherorts sogar zum Leseverbot des „pilgers“ für Lehrer und auch die liberalen Zeitungen der Pfalz bekämpften das neu entstandene Bistumsblatt, das für die Freiheit der Kirche und deren Verantwortung in weltlichen Angelegenheiten eintrat. Dennoch fand das Blatt schnell Zuspruch im Volk und die Auflage stieg rasant an.
An Themen mangelte es dem „Christlichen Pilger“ in seiner Anfangszeit keineswegs. Die Verbrennung des Throns des Louis Philippe am 24. Februar 1848 in Paris entfachte eine Welle von Revolutionen in ganz Europa, die in Deutschland vor allem bürgerlich geprägt waren. Die Menschen verlangten nach mehr Demokratie, einer Reform des Wahlrechts, nach Pressefreiheit und insbesondere nach einem nationalen Parlament. Dieses neue direkt gewählte gesamtdeutsche Parlament, das am 18. Mai in der Frankfurter Paulskirche zusammentrat, war eines der prominentesten Themen des „pilgers“ in seiner Anfangszeit. An dieses neue Parlament richtete der „pilger“ auch den Appell, die „unwürdigen Beschränkungen für die Kirche“ zu beseitigen und im „Reichsgrundgesetz“ den „Freiheitsraum der Kirche“ zu garantieren (Ausgabe des 10.06.1848). In diesem Kontext wurde auch bereits 1848 über die Zölibatsdebatte in der Paulskirche berichtet. Aber auch die Situation im Kirchenstaat in Folge der Einheitsbestrebungen der Italiener fanden große Beachtung. Gerade die Flucht Papst Pius IX. nach Gaeta zum König von Neapel war ein großes Thema. Darüberhinaus sorgten auch der erste Deutsche Katholikentag in Mainz und die erste Deutsche Bischofskonferenz in Würzburg für reichlich Diskussionsstoff.