III. Eintreten für den Frieden und das Ende des Krieges

„Der Krieg ist leider keine Schule der Tugend“[1]

Wurde der Kriegsausbruch und das damit einhergehende „neue[] Aufwachen des christlich-religiösen Bewußtseins“[2] in der katholischen Bevölkerung von der Kirche im ersten Kriegsjahr noch als deutsches Pfingsten gefeiert, durch welches alle Krisen der Vorkriegszeit hinweggefegt schienen, so nahm – in Folge der langen Dauer des Weltkrieges – das Vertrauen innerhalb der Bevölkerung in das göttliche Fatum und die Kirche ab und zunehmend wurden von der Zivilbevölkerung die negativen Aspekte des Krieges wahrgenommen.[3] Auch die zu Beginn des Krieges steigenden Zahlen an Gottesdienstbesuchen gingen wieder zurück und der zu Anfangs als überwunden geglaubte Sittenverfall wurde nun erneut beklagt. Im Fokus der kirchlichen Sorge stand dabei insbesondere die schwindende Religiosität an der Heimatfront. So muss der Pfarrer der Diözese Limburg, Johannes de Laspée, 1917 im Katholiken konstatieren, dass es „[…] zu einer ausgereiften, religiösen Sittlichkeit […], einer äußerlich ehrbaren, innerlich gläubigen und frommen Lebensführung […] in der Hauptmasse des Volkes leider nicht gekommen“[4] ist.

Die geistlichen Vertreter der katholischen Kirche im Kaiserreich reagierten auf diese Abnahme der Religiosität mit weiteren Aufrufen zur Buße, insbesondere in den Jahren 1916 bis 1917. So forderte etwa der Bischof von Trier, Michael Felix Korum, dazu auf, noch eifriger zu beten und noch mehr Sühne zu betreiben.[5] Dieses abermalige sture Beharren auf der Verklärung des Krieges als Zeit der Sühne und Buße – wie bereits zu Beginn des Krieges – lässt sich allerdings weder für die Autorschaft des Katholiken, noch für die der Historisch-politischen Blätter mit Einsetzen des dritten Kriegsjahres belegen. Dies liegt mit großer Wahrscheinlichkeit vor allem daran, dass sich die Autorschaft der genannten Zeitschriften zum Großteil aus dem akademischen Milieu entstammenden Personen zusammensetzte und von dieser nur ein sehr geringer Teil dem katholisch-klerikalen Milieu angehörte.

Viel häufiger werden im Katholiken allerdings Stimmen laut, welche öffentlich für die päpstliche Friedensinitiative werben; und das sogar bereits vor dem Vorstoß der Friedensresolution des Zentrumspolitikers Matthias Erzberger im August 1917 im Reichstag. So fordert der Mainzer Professor Josef Selbst bereits 1916 – nachdem er eindrucksvoll die Leiden und Einschränkungen, zu welchen der Krieg insbesondere in Wissenschaft und kirchlichem Leben führt, schildert – „[…] den Zugang zum Frieden zu suchen und anzubahnen.“[6] Ebenso findet sich in den Historisch-politischen Blättern bereits für 1916 ein Zeugnis für das Werben um einen baldigen Frieden, wenn dort der Akademiker Johannes König in seinem Beitrag Zur Psychologie und Ethik des Krieges postuliert, dass „durch gerechtes Urteil [der] gordische[] Knoten der Kriegsverwicklungen […] entwirr[t] [werden muss] und der Regierung der kriegsführenden Länder die Mittel an die Hand […] [gegeben werden müssen], einen Weg der Verständigung zu finden.“[7]

Die Chancen des Ersten Weltkrieges: Kampf um Demokratie und nachhaltigen Frieden

Der Frieden rückte jedoch erst im September 1918 mit der deutlichen Kräfteverschiebung zu Gunsten der Alliierten in greifbare Nähe. Zwar standen die Truppen des deutschen Kaiserreiches an den Fronten überall auf gegnerischem Gebiet, doch hatten die Versorgungsengpässe und die innenpolitischen Spannungen dazu geführt, dass das Kaiserreich ausgeblutet war. Mit der Absehbarkeit der Kriegsniederlage begannen die politischen Kräfte, wie Zentrumspolitiker, Sozialdemokraten und Liberale, nach Demokratie und für einen Verständigungsfrieden zu streben.

Die Autoren der Historisch-politischen Blätter wehrten sich jedoch vehement, nachdem sie bereits öffentlich für einen baldigen Frieden warben, gegen die Parlamentarisierung und Demokratisierung der Überbleibsel des deutschen Kaiserreiches. Während in den Beiträgen des Katholiken der Streitpunkt der Parlamentarisierung und der Demokratisierung leider keinerlei Thematisierung erfährt, wird in den Historisch-politischen Blättern – im Gegensatz zu den Bemühungen einiger Zentrumspolitiker wie beispielsweise Matthias Erzberger, welche genau auf eine solche Parlamentarisierung und Demokratisierung hindrängten[8] – vielmehr die „[…] gesteigerte Bedeutung des Vatikans in der internationalen Politik“[9] als Vermittler für einen gerechten und nachhaltigen Frieden betont und Frieden als der „[…] normale von Gott gewollte und naturgemäße, der Christen einzig würdige Zustand“[10] definiert. Die nun in der Zwischenkriegszeit entstehende Weimarer Republik im Sinne einer Demokratie auszugestalten wird jedoch stark abgelehnt. Statt der Parlamentarisierung des Kaiserreiches wird eine Christianisierung der Länder gewünscht.[11] Weiterhin wird es als „dringendes Erfordernis der Zeit [betrachtet], die christlich-konservative Auffassung vom Staat mit aller Energie in den Vordergrund zu stellen […]“[12] und diese stellte nach Auffassung der Autoren der Historisch-politischen Blätter die konstitutionelle Monarchie dar.[13] Aus diesem Grund wurde auch der Übergang vom konstitutionellen zum parlamentarischen System, welcher am 30. September 1918, zwecks Waffenstillstandsverhandlungen von der Obersten Heeresleitung und der Reichsregierung beschlossen wurde, von einem der Autoren der Zeitschriftals „ein Erzeugnis der Kriegsnot“[14] betrachtet. Diese Position verwundert nicht, vergegenwärtigt man sich, dass die meisten Beiträge in den Historisch-politischen Blättern aus der Feder der (katholisch-konservativen) Eliten des Kaiserreiches stammten.

 


[1] Michael Felix Korum, zit. n.: Rainer Möhler: „Ihr kämpft für uns, wir beten für Euch!“. Die evangelische und katholische Kirche im Saarrevier und der Erste Weltkrieg, in: „Als der Krieg über uns gekommen war…“. Die Saarregion im Ersten Weltkrieg, hg. v. Stadtverband Saarbrücken Regionalgeschichtliches Museum, Merzig 1993, S. 60.

[2] O. A.: Religiös-moralische Kriegsprobleme, in: Historisch-politische Blätter 159 (1917), S. 249.

[3] Möhler: Kirche, S. 60.

[4] Johannes de Laspée: Die Seelsorge nach dem Krieg, in: Der Katholik 9 (1917), S. 218.

[5] Möhler: Kirche, S. 60.

[6] Josef Selbst: Dem Frieden entgegen, in: Der Katholik 1 (1916), S. 4.

[7] Johannes König: Zur Psychologie und Ethik des Krieges, in: Historisch-politische Blätter 158 (1916), S. 496.

[8] Christopher Dowe: Krieg, Nation und Katholizität. Matthias Erzberger, ein Wegbereiter deutscher Demokratie im Ersten Weltkrieg, in: Kirche, Krieg und Katholiken. Geschichte und Gedächtnis im 20. Jahrhundert, hg. v. Karl-Joseph Hummel/Christoph Kösters, Freiburg i.Br. 2014, S. 41f.

[9] Otto Hipp: Die gesteigerte politische Bedeutung des Papsttums, in: Historisch-politische Blätter 157 (1916), S. 846.

[10] Bon Acronianus: Papsttum und Völkerfriede, in: Historisch-politische Blätter 160 (1917), S. 90.

[11] O. A.: „Parlamentarisierung“, in: ebd., S. 324-333.

[12] O. A.: Konservative Staatspolitik und Demokratisierung, in: ebd., S. 384.

[13] Ebd., S. 383-393.

[14] O. A.: Deutscher Parlamentarismus und Friedenssuche, in: Historisch-politische Blätter 162 (1918), S. 528.

 

Quellen

Acronianus, Bon: Papsttum und Völkerfriede, in: Historisch-politische Blätter 160 (1917), S. 81-90.

O. A.: Deutscher Parlamentarismus und Friedenssuche, in: Historisch-politische Blätter 162 (1918), S. 528-541.

O. A.: Konservative Staatspolitik und Demokratisierung, in: Historisch-politische Blätter 160 (1917), S. 383-393.

O. A.: „Parlamentarisierung“, in: ebd., S. 324-333.

O. A.: Religiös-moralische Kriegsprobleme, in: Historisch-politische Blätter 159 (1917), S. 245-253.

Hipp, Otto: Die gesteigerte politische Bedeutung des Papsttums, in: Historisch-politische Blätter 157 (1916), S. 846-854.

König, Johannes: Zur Psychologie und Ethik des Krieges, in: Historisch-politische Blätter 158 (1916), S. 485-496.

Laspée, Johannes de: Die Seelsorge nach dem Krieg, in: Der Katholik 9 (1917), S. 217-232.

Selbst, Josef: Dem Frieden entgegen, in: Der Katholik 1 (1916), S. 1-16.

Literatur

Dowe, Christopher: Krieg, Nation und Katholizität. Matthias Erzberger, ein Wegbereiter deutscher Demokratie im Ersten Weltkrieg, in: Kirche, Krieg und Katholiken. Geschichte und Gedächtnis im 20. Jahrhundert, hg. v. Karl-Joseph Hummel/Christoph Kösters, Freiburg i.Br. 2014, S. 21-49.

Möhler, Rainer: „Ihr kämpft für uns, wir beten für Euch!“. Die evangelische und katholische Kirche im Saarrevier und der Erste Weltkrieg, in: „Als der Krieg über uns gekommen war…“. Die Saarregion im Ersten Weltkrieg, hg. v. Stadtverband Saarbrücken Regionalgeschichtliches Museum, Merzig 1993, S. 52-65.